Sechs Jahre Runder Tisch Willkommen
Im November 2012 trafen sich auf Initiative der Wandlitzer Pastorin Janet Berchner und des Basdorfers Mathis Oberhof acht Menschen im evangelischen Pfarrhaus in Wandlitz. Vorausgegangen war eine Einwohnerversammlung im „Goldenen Löwen“, in der Bürgermeisterin Dr. Jana Radant über die Eröffnung eines Übergangswohnheimes für Geflüchtete in Wandlitz informierte. Bei dieser Versammlung ging es hoch her, Vorbehalte und Ängste wurden benannt, aber auch der Wille zu helfen wurde deutlich. Für alle, die sich engagieren wollten, war die Thematik neu. Klar war, dass man den Rechten mit ihrer ablehnenden Haltung etwas entgegensetzen wollte, sowohl inhaltlich als auch nach außen. Zu Beginn begrüßte die Helfergruppe, die sich „Runder Tisch der Toleranz“ nannte, die am 3. Januar 2013 ankommenden 50 Flüchtlinge mit Kaffee, Tee und Kuchen sowie einem großen bunten Willkommensplakat. Solche Plakate wurden auch an verschiedenen Stellen der Gemeinde aufgehängt.
Man traf sich zunächst in lockerer Folge, später dann monatlich. Es wurde eine Kleiderkammer und ein Lager für Möbel eingerichtet, wofür u.a. im Amtsblatt zu Spenden aufgerufen wurde. Pensionierte und aktive Lehrerinnen und Lehrer unterrichteten im Gymnasium und im Heim Deutsch. Eine Fahrradwerkstatt wurde eingerichtet, um gespendete Räder flott zu machen, es gab (und gibt bis heute) Spielenachmittage und Sportangebote. Um die Akzeptanz in der Gemeinde herzustellen, wurden Bürgerbegegnungsfeste im „Goldenen Löwen“ organisiert. Sie waren allesamt gut von Wandlitzer Alteingesessenen besucht, gab es doch Musik und gutes, von den Flüchtlingen zubereitetes Essen.
Ein wesentlicher Teil des Engagements der Initiative (sie hatte sich bald in „Runder Tisch Willkommen“ umbenannt) wurde von außen bestimmt: Die NPD meldete mehrfach Demonstrationen gegen die Flüchtlinge in Wandlitz an. Da aber bald ein großer Mailverteiler und ein detaillierter Ablaufplan für solche Fälle erarbeitet waren, konnte jeweils sofort reagiert werden. Hier spielte auch die gute Zusammenarbeit mit der Gemeindeverwaltung eine große Rolle. Es kamen immer viel mehr Menschen, die sich für ein offenes Wandlitz einsetzten, als von der NPD aufgeboten wurden. Bunt gekleidet, mit Pfeifen und Trommeln ausgestattet, wurde so laut gesungen und getanzt, dass die rechten Hetzparolen nicht mehr zu verstehen waren. Vom Kirchenchor bis zur Gymnasialklasse waren alle dabei.
Im Laufe der Jahre haben sich die Anforderungen an und die Voraussetzungen für die Arbeit mit Geflüchteten sehr verändert. Es geht jetzt um Integration, Wohnung und Arbeit. Schlüssel zu allem ist natürlich die deutsche Sprache, so dass ergänzend zu den zahlreichen offiziellen Angeboten nach wie vor einzelne Gruppen Deutschunterricht erhalten. Besonders wichtig für’s Deutschlernen und die Integration sind die Sprachpatinnen. Eine Deutsche (meist sind es tatsächlich Frauen) trifft sich regelmäßig mit einem Flüchtling oder einer Familie und hilft beim Lernen. Klar, dass dabei meist praktische Hilfe bei Behördengängen, Elternabenden, Wohnungs- und Jobsuche anfällt. Da ist dann auch bei den Paten und Patinnen die Freude groß über eine bestandene Prüfung oder gar einen Lehrvertrag.
Doch die Aufgaben wuchsen und der Runde Tisch mit seinen jetzt etwa 30 aktiven Ehrenamtlern war am Ende seiner Kapazitäten angelangt. So holte er in geduldiger Kleinarbeit die Politik mit ins Boot und erwirkte die Schaffung einer Stelle für die Koordinierung der Flüchtlingsarbeit in der Gemeinde Wandlitz für zunächst zwei Jahre. Seit dem 1. März diesen Jahres arbeiten nun Katja Schumann und Bettina Hoffmann erfolgreich auf dieser Stelle und haben bereits mehrere Projekte angeschoben. So Deutschunterricht für Frauen mit kleinen Kindern, ein „Café ohne Grenzen“ für Einheimische und Geflüchtete, das monatlich im Wandlitzhaus stattfindet, oder Nachhilfeunterricht für die Kinder. Für die alltäglichen Sorgen der Flüchtlinge, aber auch der Wandlitzer, halten sie einmal wöchentlich eine Sprechstunde donnerstags von 10 – 16 Uhr im Übergangswohnheim, Bernauer Chaussee 26, ab.
Bis heute hat die kontinuierliche Arbeit des Runden Tisches dazu geführt, dass es so gut wie keine offene Ablehnung gegenüber den Geflüchteten gibt. Ein Miteinander ist zwar noch selten, aber ein Nebeneinander durchaus möglich. Es gibt etliche Beispiele gelungener Integration, wenn wieder jemand eine Arbeit oder gar einen Ausbildungsplatz gefunden hat, wenn eine junge Mutti im Kindergarten mithilft oder wenn zwei Jungs einer Familie Medizin und Informatik studieren.
Alle Aktiven sind sich einig, dass es lohnt, diesen Weg weiter mit den geflüchteten Menschen zu gehen.
Hannah Kickel-Andrae