Geschichte des Runden Tisches Willkommen in Wandlitz

Die Anfänge

Auf Initiative der Wandlitzer Pastorin Janet Berchner und des Basdorfers Mathis Oberhof gründete sich im November 2012 der "Runde Tisch der Toleranz". Vorausgegangen war eine Einwohnerversammlung im "Goldenen Löwen", in der Bürgermeisterin Dr. Jana Radant über die Eröffnung eines Übergangswohnheimes für Geflüchtete in Wandlitz informierte. Bei dieser Versammlung ging es hoch her, Vorbehalte und Ängste wurden benannt, aber auch der Wille zu helfen wurde deutlich.


Erstes Ziel derjenigen, die für eine Willkommenskultur eintraten, war es zu zeigen, dass Wandlitz offen für Geflüchtete ist. Es wurden große Banner mit dem Schriftzug "Willkommen" und Sticker für die Türen von Geschäften aufgehängt bzw. verteilt.


Anfang Januar 2013 kommen die ersten 50 Geflüchteten an und werden von Mitgliedern des Runden Tisches mit Kaffee, Kuchen und einem "Willkommen" in vielen Sprachen empfangen. Ein Aufruf im Amtsblatt veranlasst viele Wandlitzer*innen Spielsachen für die Kinder, Kleidung, Hausrat, Decken und vieles mehr zum Heim zu bringen. Die eingerichtete Spendenhalle platzt bald aus allen Nähten, so dass später eine Kooperation mit der Brockensammlung Lobetal vereinbart wird, d.h. im Heim nicht verwendete Spenden dorthin weitergegeben werden.


Der Runde Tisch trifft sich erst in lockerer Folge, dann monatlich. Er benennt sich bald um in "Runder Tisch Willkommen". Das Wichtigste: Deutsch, deutsch, deutsch - und das ist bis heute so geblieben. Pensionierte und aktive Lehrer*innen unterrichten im Gymnasium und im Heim Deutsch, Ehrenamtler übernehmen Sprachpatenschaften, treffen sich mit einzelnen Geflüchteten zum Reden, helfen aber auch bei Arztbesuchen und Behördengängen. Eine Fahrradwerkstatt wird eingerichtet, um gespendete Räder flott zu machen, es gibt Spielenachmittage, ein Musikcafé und andere Angebote.


Natürlich gibt es Vorbehalte in der Bevölkerung. Um die Akzeptanz der geflüchteten Menschen in der Gemeinde herzustellen, werden 2013, 2014 und 2015 Bürgerbegegnungsfeste im "Goldenen Löwen" organisiert. Sie werden allesamt gut von den Wandlitzer Alteingesessenen besucht, gibt es doch Musik und gutes, von den Geflüchteten zubereitetes Essen.


Wandlitz bleibt bunt!

Ein wesentlicher Teil des Engagements der Initiative wird in den ersten beiden Jahren von außen bestimmt: Die NPD meldet mehrfach Demonstrationen gegen die Geflüchteten in Wandlitz an. Dank eines erprobten Ablaufs für solche Fälle kann jeweils sofort reagiert werden. Es kommen immer viel mehr Menschen, die sich für ein offenes Wandlitz einsetzen, als von der NPD aufgeboten werden. Bunt gekleidet, mit Pfeifen und Trommeln ausgestattet, wird so laut gesungen und getanzt, dass die rechten Hetzparolen nicht mehr zu verstehen sind.                                                                                                      Vom Kirchenchor bis zur Gymnasialklasse sind alle dabei.


Für den Landkreis Barnim als Träger des Übergangswohnheimes und auch die Gemeinde hat das Bürgerengagement in Wandlitz Pilotcharakter. Dementsprechend gut ist die Zusammenarbeit der drei Gruppen. Der Barnimer Förderpreis für Demokratie der Bürgerstiftung Barnim Uckermark geht 2013 an die Gemeinde Wandlitz. Regionale wie überregionale Medien berichten mehrfach über den Runden Tisch.  Überall dort, wo neue Heime entstehen und es Bürgerproteste dagegen gibt, werden seine Akteure eingeladen, um von ihren positiven Erfahrungen zu berichten.


Sport als Teilhabemöglichkeit

Eine bewährte Integrationsmöglichkeit ist und bleibt der Sport. Volleyball und Fußball in der Halle der Grundschule werden, von Ehrenamtlern betreut, gerne angenommen. Es gibt sogar ein Fußball- Turnier mit deutschen Gastmannschaften um den "1. Salam- Wandlitz- Pokal" im November 2019 und die mehrfache Teilnahme am Drachenbootrennen auf dem Stolzenhagener See. Aber auch in den Vereinen vor Ort sind mittlerweile junge Geflüchtete dabei. Beim Zwietracht Wandlitz Volleyball e.V. spielen acht Afghanen mit, davon sieben als zahlende MItglieder. Bei der SG Union Klosterfelde spielen aktuell in der 2. Mannschaft 8 Geflüchtete aus Syrien, Afghanistan, Nigeria und Libanon und in der 1. Mannschaft 1 Geflüchteter aus Mali.


Veränderte Aufgaben

Im Laufe der Jahre haben sich die Anforderungen an und die Voraussetzungen für die Arbeit mit Geflüchteten sehr verändert. Es geht jetzt um Integration, Wohnung und Arbeit. Auch hier kommt den Patinnen und Paten eine besondere Rolle zu. Groß ist deren Freude, wenn ein Geflüchteter mit ihrer Hilfe einen Job, gar eine Ausbildung oder eine Familie eine Wohnung findet.


Doch die vielen Aufgaben sind über Jahre vom Ehrenamt nicht zu stemmen. 2017 holt der Runde Tisch in geduldiger Kleinarbeit die Politik mit ins Boot und erwirkt die Schaffung einer Stelle für die Koordinierung der Flüchtlingsarbeit in der Gemeinde Wandlitz für zunächst zwei Jahre. Von März 2018 bis Februar 2020 können die beiden Mitarbeiterinnen auf dieser Stelle mehrere Projekte wie zum Beispiel den Schwimmunterricht anschieben und aufsuchende Sozialarbeit anbieten.


Heute nun steht ein neuer Sozialkoordinator für Geflüchtete, Jugend, Senioren und Gleichstellung bei der Gemeinde Wandlitz den Ehrenamtlern vom Runden Tisch zur Seite.


Viele Geflüchtete, die in Wandlitz leben, gehen entweder zum Unterricht oder zur Arbeit, die Kinder gehen in die Kita oder Schule, so etwas wie Normalität ist eingekehrt. Und alle Aktiven des Runden Tisches sind sich einig, dass es sich lohnt, diesen Weg mit geflüchteten Menschen weiter zu gehen.



Hannah Kickel-Andrae im Oktober 2020