Eine Sprachpatin erzählt

Den Aufruf für Sprachpatenschaften hatte ich im Amtsblatt gelesen. Na, das wäre doch auch was für mich. Gespräche mit Flüchtlingen führen, ihnen von dem Leben hier erzählen und auch hören, aus welchem Land sie kommen. Wie ist es dort? Warum sind sie hergekommen? Was wollen sie hier erreichen? Ja, ein wenig Neugier gehört dazu. Also meldete ich mich in der Ehrenamtsagentur an und hatte Glück. Sehr bald konnte ich Kontakt zu einer jungen Familie aus Syrien aufbauen, die gerade ihre erste eigene Wohnung in der Gemeinde beziehen durfte.

Erster Besuch dort. Großes Kennenlernen. Die Eltern sind noch jung, erst 19 bzw. 26 Jahre alt. Nennen wir sie Paul und Paula. Den kleinen Jungen nennen wir Paulemann. Er ist knapp 2 Jahre alt. Paula ist hochschwanger. Bald soll ein Mädchen kommen, also wird sie Paulinchen heißen.

Die Sprachpatenschaft begann mit einer herben Enttäuschung. Nein, nein, die Eheleute waren sehr freundlich und perfekte Gastgeber. Aber so viel Unterhaltung war noch gar nicht möglich. Paul besuchte gerade einen offiziellen Sprachkurs. Paula konnte noch keinen Kurs besuchen wegen Kleinkind und Schwangerschaft. Die Unterhaltung mit ihr bestand aus Lächeln und Achselzucken. Da musste ich mir etwas einfallen lassen.

Beim nächsten Besuch hatte ich Klebezettel und Stift in der Tasche. Ich lief mit Paula durch die Wohnung und jeder Gegenstand erhielt einen Zettel mit dem Namen. Nur wenige Tage später konnten wir die ersten Zettel wieder abnehmen. Jetzt war klar, was ein Schrank, Tisch und Bett bedeutet. Wir haben die Zahlen gelernt und geschaut, wofür ein Kalender gut ist. Auch Flüchtlinge haben Termine, die sie nicht vergessen dürfen. Gleichzeitig hatten wir den ersten wirklichen Gesprächsstoff: Welche Feiertage gibt es hier und bei ihnen? Warum wird was gefeiert und wie wird es gefeiert?

Von Angang an hatten wir viel Spaß am Entdecken der jeweilss anderen Welt. Aber es war auch ernsthafte Arbeit. Wir fanden ein Lehrbuch, das ohne Gruppenarbeit und CD auskommt. Für uns war nicht so wichtig, ob es ein Plusquamperfekt gibt. Wichtig war, dass Paula mit der deutschen Welt klarkommt: alleine zum Arzt oder in die Apotheke, die Freizeit in begrenztem Maße mit Deutschen verbringen und ein einfaches Gespräch mit den Nachbarn führen können.

Begonnen haben wir mit fast täglichem Unterricht. Dann war Paulinchen da und wir mussten Rücksicht darauf nehmen. Bereits nach vier Monaten konnten wir auf zwei Treffen in der Woche reduzieren. Zunehmend haben wir auch über Kindererziehung gesprochen. Paul und Paula hatten Schwierigkeiten mit der Erziehung in Deutschland. In ihrer Heimat erzieht die ganze Familie, die dort oft gemeinsam wohnt. Die Kinder sind im Dorf unterwegs und jeder kümmert sich. Und hier liegt alle Last bei den Eltern. Spielen mit den Kindern- auch das will geübt werden. Paulemann besucht jetzt die Kita im Ort und macht gute Fortschritte. Er versteht die deutsche Sprache fast so gut wie seine Eltern.

Viel ist geschafft in diesem Jahr Sprachpatenschaft. Paul hat den Sprachkurs erfolgreich absolviert und inzwischen den nächsten Kurs begonnen. Im Herbst will er eine Ausbildung beginnen. Das geht nur mit guten Deutschkenntnissen. Er geht wöchentlich zum Fußball und macht gerade die Fahrschule. Paula geht alleine zum Arzt, zur Krabbelgruppe und zum Zumba- Kurs. Das junge Paar hat sich eigene Möbel für das Wohnzimmer gekauft und spart auf eine Kühlkombination. Paulemann geht in die Kita und Paulinchen ist für einen Platz angemeldet. Dann wird auch Paula einen offiziellen Sprachkurs machen.

Inzwischen ist es eine richtige Sprachpatenschaft. Wir reden über Kochrezepte und über den Weltfrieden. Ich habe ganz viel gelernt über Land und Leute, über die Religion und auch über die deutsche Bürokratie, die für Flüchtlinge noch weniger nachvollziehbar ist als für uns Deutsche.

Eine Sprachpatenschaft kann ich nur empfehlen. Man muss nur wissen, dass da Erwachsene die Partner sind, die ihre eigenen Vorstellungen und Ziele haben. Manchmal muss man eben auch auf das deutsche Zack- Zack verzichten können.